Das buch von han kang liegt in diesen tagen oft in den schaufenstern der buchhandlungen. der grund: sie hat den nobelpreis für literatur erhalten, und dies ist eines ihrer besten werke. es hat ein sehr schönes cover, für meinen geschmack. bunt, hell, lebendig und voller details: exotisch. genau das, was der westen vom osten erwartet. aber ist dieser roman wirklich exotisch? geht es um die restriktiven gesellschaftlichen und familiären normen in korea, die es einer hausfrau unmöglich machen, vegetarierin zu sein?
Geht es um die restriktiven gesellschaftlichen und familiären Normen in Korea, die es einer Hausfrau unmöglich machen, Vegetarierin zu sein? Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser in westlichen Ländern so denken, aber für mich geht es in dem Buch nicht um kulturelle Einschränkungen oder darum, Vegetarier zu sein. Für mich geht es um Kontrolle. Um Kontrolle über den eigenen Körper. Wie weit Menschen gehen, um diese Kontrolle über ihren Körper auszuüben oder wiederzuerlangen. Der Ehemann mit Verzicht, der Vater mit Gewalt, der Schwager mit Sex/Kunst, die Schwester mit Fürsorge und Yoeng-hye selbst mit allem, was sie kann, aber nie mit Gewalt: keinen BH tragen, kein Fleisch essen, kein Leder tragen, gar nichts essen. 
„Ich kann mich nur auf meine Brüste verlassen. Ich mag meine Brüste, nichts kann sie töten. Hand, Fuß, Zunge, Blick, alles Waffen, vor denen nichts sicher ist.“
Und sie wollte sie nie bedecken, auch wenn ihr Mann das sehr provokativ fand. 
Das Buch mag viele an Kafkas Metamorphosen erinnern. Yoeng-hye könnte die weibliche Version von Gregor Samsa sein. Aber mich erinnert es eher an Die blinde Eule des iranischen Schriftstellers Sadegh Hedayat. Der Mann, der die ätherische Figur einer ätherischen Frau malt, die er im eigenen Bett sterben sieht. 
Erwähnenswert ist, dass sowohl Kafka als auch Hedayat Vegetarier waren.
Das wiederkehrende Motiv ist die Gewalt, die immer mit der physischen Substanz verbunden ist: Essen, Sex, Pflege, Tod.

Ein sterbender Vogel, der sich in einer geballten Faust versteckt, ein Infusionsbeutel, der halb mit Blut gefüllt ist, Blumen, die auf einen nackten Körper gemalt sind, der unaufhörliche Gestank von brennendem Fleisch, die starke Tendenz, ein Baum zu werden.

„Warum, ist es so schlimm zu sterben?“ fragt Yeong-hye am Ende eines Abschnitts. Im nächsten Abschnitt wird diese Frage einfach wiederholt: „Warum ist es so schlimm zu sterben?“

Weil es der ultimative Weg ist, die Kontrolle über den eigenen Körper zu erlangen: zu sterben!

Als Frau, egal wo du lebst, ist dein Körper eine öffentliche Arena. Manche haben vielleicht mehr Glück und können sich einen Teil davon zurückholen, aber man hat nie die Freiheit, ihn vollständig zu kontrollieren. Die Öffentlichkeit entscheidet immer, was Frauen mit ihrem Körper machen. Wie sie ihn bedecken, wie groß er sein darf, wie natürlich, wie gewagt. Diese Kontrolle geht sogar so weit, dass die Öffentlichkeit darüber entscheidet, wie sie mit ihren intimen Organen umgehen, ob sie sie rasieren, ob sie sie benutzen, ob und wie sie sie genießen, ob sie ihren Fötus austragen, wie sie ihn austragen, wie sie gebären, ob sie nicht stillen, ob sie aussehen, als ob sie geboren hätten, ob sie alt werden?
Frauen haben im wahrsten Sinne des Wortes zu wenig Kontrolle über ihren Körper, und wenn sie versuchen, sie zurückzugewinnen, fühlt sich das ganze System unsicher, und jeder versucht, die Frau zu überreden, aufzuhören, um ihrer selbst willen! um der Familie willen, um des Mannes willen, sogar um des Chefs willen.

Han Kang ist ein sehr kluger Autor, und kluge Autoren brauchen kluge Leser, und es gibt im ganzen Roman keinen einzigen sinnlosen Satz. Das ganze Buch ist ein wunderbares Geflecht aus Symbolen, Nebenhandlungen, Situationen und Charakteren, die der Idee so gut wie möglich dienen. Es ist ein Buch, das man zweimal lesen muss, um in den vollen Genuss zu kommen.