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Heute habe ich frei. Ich sitze auf dem Sofa und versuche, auf meinem Instagram-Account ein Reel über meine Erfahrungen als Volunteer bei der Euro 2024 zu erstellen. Instagram erinnert mich an eine Story die ich 2016 gepostet habe. Ich mit der iranischen Flagge auf meinem Gesicht, auf der Couch mit meinen Eltern sitzend und auf das iranische Spiel wartend.
Wenn man eine Migrantin aus dem Iran ist, erwartet man das, dass es in jeder schönen Situation eine gewisse Bitterkeit gibt. Warum Bitterkeit? Weil es einem auf einmal klar wird, was für einen hohen Preis man bezahlt hat, um diesen kleinen, einfachen Moment zu erleben, den die Menschen in fast allen anderen Ländern einfach von Geburt an haben.
Wahrscheinlich ist noch nicht ganz klar, wovon ich spreche. Also hier ein kleiner Hinweis: „Im Iran dürfen Frauen nicht ins Stadion“. Ja, die Hälfte der Bevölkerung darf einfach nicht im Stadion Fußball oder irgendeine Sportveranstaltung anschauen. Aber das ist nicht alles. In 46 Jahren Islamischer Republik haben Frauen immer wieder für dieses Recht gekämpft. Entweder haben sie sich heimlich als Mann verkleidet und reingeschmuggelt, oder sie haben vor den Stadioneingängen protestiert. Sahar alias Blue Girl war eine von ihnen. Sie hat sich 2019 als Mann verkleidet, wurde aber erwischt, verhaftet, verurteilt und hat sich schließlich vor dem Gericht selbst angezündet. Erst nach ihrem Tod hat die FIFA ein Ultimatum gestellt, dass der Iran bestraft wird, wenn Frauen weiterhin nicht ins Stadion dürfen. Danach durfte nur eine sehr begrenzte Anzahl ausgewählter Frauen (meist Verwandte von Funktionären oder Journalisten) bei sehr begrenzten Spielen ins Stadion, mehr nicht.
Ich bin am 2019 nach Deutschland gezogen. Ich durfte nie ins Stadion. Ich war ein großer Fußballfan während meiner Teenagerjahre. Als ich Teenagerin war, gab es noch nicht einmal Public Viewing Möglichkeiten, wo auch Frauen rein durften. Also habe ich mir Fußball immer nur vor dem Fernseher angeschaut und habe es vielleicht sogar aufgegeben, mich überhaupt als Fan zu identifizieren. Nachdem ich nach Deutschland gekommen bin, durfte ich zwar ins Stadion, aber dann kam die Corona Pandemie und ich durfte lange Zeit wieder nicht. Eines Tages kaufte mir mein Mann eine Überraschungskarte und ratet mal was? Ich bekam Corona und konnte nicht hingehen. Letztes Jahr habe ich die Anzeige bei der UEFA gesehen. Es gab die Möglichkeit, sich als Volunteer für die Europameisterschaft zu bewerben. Ich hatte keine Zweifel das zu machen. Warum? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht wollte ein Teil von mir die ganze Leidenschaft, die Erfahrung, die Freude und alles was mir gestohlen wurde zurückgewinnen. Bei meinem ersten Interview habe ich erwähnt: „Ich weiß, es macht vielleicht keinen positiven Eindruck, aber ich war noch nie in einem Stadion“ (Ich habe es inzwischen vor der EM geschafft), der Interviewer, selbst ein sehr netter Volunteer, hat mir gesagt: „Macht nichts, jeder ist willkommen!“, wie ich schon vorher gesagt habe, für jemanden aus dem Iran gibt es in jeder Situation eine gewisse Bitterkeit. Das war auch so eine. Zu hören, „jeder“ ist willkommen.
Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Es ist nicht nur ein Ehrenamt. Es bedeutet mir viel mehr. Wenn ich die bunten Fanmeilen an den Eingängen sehe, sind das für mich nicht nur betrunkene Fußballfans, das sind diese gewisse „jeder“, der ich selbst nicht sein dürfte. Wenn ich die Fans in der Arena anfeuern höre, dann ist das für mich nicht nur ein Adrenalinkick, sondern bringt mir die jahrelange systematische Unterdrückung der Menschen, vor allem der Frauen, vor Augen. Wenn ich junge Frauen als Volunteers, Verkäuferinnen, Zeremonienmeisterinnen, Offizielle oder Stewardessen sehe, muss ich immer an meine Schwestern im Iran denken, die sich so sehr wünschen, einfach nur dabei zu sein. Ich bin froh, dass ich das hier mache, ich bin froh, dass ich mich immer wieder daran erinnern kann, dass es nichts Wertvolleres auf dieser Welt gibt als die Freiheit, und das darf ich nie vergessen und dafür muss ich mich jeden Tag einsetzen.
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